Die Papierwesen der dänischen Künstlerin Else Frøsig haben mich in ihren Bann gezogen. Sie stechen hervor durch ihre Einzigartigkeit, und ich kann gar nicht anders, als sie Euch vorzustellen! Sie wirken teilweise wie Aliens, lang und feingliedrich, manchmal mit vampirhaften Zügen, und die Farben verstärken noch den Eindruck der Fremdheit: Mal ist ihr Haar pastellblau, mal gelb oder grün, aus Papierstreifen, die zum Haarknoten hochgebunden sind oder verborgen unter Turbanen. Und wenn die Frisur doch mal dezent und in klassischem Braun gehalten ist, sind es andere Details, die das Auge des Betrachters reizen. Trotz ihrer Exzentrik nehmen sie ganz normale Posen ein: Sie trinken Tee, stricken, servieren und die unterschiedlichen Büsten wirken nachdenklich, fragend, herausfordernd, keck oder divenhaft… Nur eines sind sie nicht: langweilig.
Else Frøsig hat nach ihrem Graphikdesignstudium in Kolding 25 Jahre als Artdirector bei Ogilvy & Mather in Aarhus gearbeitet, bevor sie freischaffende Künstlerin wurde und sich in Sonderborg niederließ. Die Technik ihrer Papierskulpturen ist von den mexikanischen Fabelwesen, den sogenannten „Alebrijes“, inspiriert. Mit Hilfe eines stabilen Drahts formt sie ein Skelett, um das Papier gewickelt wird. Schicht um Schicht nimmt es Gestalt an. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken aus Pappmaché versucht sie bei ihren Figuren nicht, das Material verschwinden zu lassen, indem sie es schmirgelt, abrundet durch Ausfüllen und Verputzen: So entstehen beispielsweise diese typischen, extrem feinen Nasen durch einfaches Falten, die Ohren wirken wie zugespitzte Löcher (die mich in gewisser Hinsicht an Captain Spock erinnern 🙂 ), und die Finger lassen den Draht darunter erahnen. Nein, sie verweist auf das verwendete Material – Papier – und das macht ihre Skulpturen so aufregend: Sie wollen nicht nachahmen, sie stehen für sich selbst.
Neben den Skulpturen hat auch die Malerei einen festen Platz in Else Frøsigs Universum. Im Zentrum steht vor allem das Portrait. Anders als bei ihren Papierfiguren, die durch eine Vielzahl leuchtender Farbtupfer extrem lebendig wirken, geht die Künstlerin hier sparsamer mit Farbe um und setzt vor allem auf Kontraste, die Spannung erzeugen. Ein gemusterter, relativ monochromer Hintergrund in sattem Farbton rahmt einen sehr blassen, schemenhaften Oberkörper ein. Um so deutlicher heben sich die ausdrucksstarken, detailliert gemalten Augen, Nase und Mund im Zentrum des Bildes ab. Dies liegt nicht nur am Farbkontrast, sondern auch an der bewussten Verflachung aller anderen Bildelemente: Schattierungen, die Wölbungen erahnen ließen, gibt es keine. Der Oberkörper verbindet sich mit dem Hintergrund zu einer ästhetischen Oberfläche. Wie die Künstlerin erklärt, geht es ihr um die Darstellung des Spannungsfeldes von „Realität und ‚Maske‘, von innerer Komplexität und äußerem Perfektionismus eines Menschen“ (Zitat aus http://elsefrosig.dk/om/, aus dem Dänischen übersetzt mit google translate).
Während ich schreibe, fällt mir zum zweiten Mal der Begriff „Fremdheit“ ein. Ihre dreidimensionalen Papierwesen erschienen mir fremd aufgrund ihrer Andersartigkeit. Dies ist aber eine Empfindung des Betrachters. Sie selbst, mit ihren kantigen Gesichtszügen und hervorquellenden Augen, wirken tatsächlich vollkommen im Reinen mit sich. Hingegen spiegelt sich in ihren Portraits, die die Zweidimensionalität als Ausdrucksmittel heranziehen, eine gewisse innere Fremdheit wider, die einen nicht unberührt lässt. Ob innere Fremdheit oder fremdes Äußere, faszinierend finde ich ihre Werke allemal!
Die hier gezeigten Fotos stammen allesamt von Else Frøsig (Quelle: https://www.facebook.com/billedkunstnerelsefrosig). Abgesehen von ihrer Website ist sie auch auf Instagram aktiv, wo Ihr Euch über die nächsten Ausstellungen informieren könnt. Sie veranstaltet außerdem regelmäßig Papierskulpturen-Workshops – leider nur in Dänemark, fürchte ich!
Vor genau 20 Jahren habe ich übrigens in Sonderborg geheiratet… Gerne würde ich mal wieder hin! (Ist aber nicht der richtige Zeitpunkt…) Ich hoffe, ich konnte Euch begeistern, ich jedenfalls bin es.
Viele Grüße aus der „roten Zone“,
Dieser Beitrag erschien erstmals am 27.09.2020 auf meinem alten Blog Pappenstiel.
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