Warum ich den Online-Verkauf eingestellt habe

16 Okt 2023

Eigentlich wollte ich einen ganz anderen Artikel schreiben, aber dann ist etwas dazwischengekommen: die späte Entdeckung, dass man nicht nur in Deutschland eine Gebühr für Versandverpackungen bzw. Verpackungen entrichten muss, wenn man an den Endverbraucher liefert (siehe LUCID), sondern mittlerweile auch in den meisten anderen europäischen Ländern. Um das Schicksal der KleinunternehmerInnen haben sich dabei die wenigsten Gedanken gemacht…

Mit Verabschiedung der EU Richtlinie 94/62/CE  zur Bewirtschaftung von Verpackungen und Verpackungsabfällen  haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, diese in die jeweilige Gesetzgebung mit aufzunehmen. Ihr habt in diesem Zusammenhang vielleicht schon einmal von der Abkürzung EPR (Extended Producer Responsibility) gehört – wenn nicht, geht es Euch so wie mir im Pappmaché-Land vor ein paar Tagen… Ich habe meine “erweiterte Verantwortung als Fabrikant” stets wahrgenommen, indem ich gebrauchte Verpackungen nicht nur zum Versand meiner Skulpturen benutzt, sondern auch in meinen Kreationen verarbeitet habe. Da bin ich wohl über das Ziel hinausgeschossen, denn bei EPR geht es ausschließlich um Gebühren zur Finanzierung von Recycling und Entsorgung.

In meiner Naivität hätte ich nun zumindest erwartet, dass für den E-Commerce in Europa eine einheitliche Regelung gefunden wird – dies ist aber eindeutig eine Wunschvorstellung. Die Anzahl der Verpackungen pro Jahr sind in dem Land zu melden, in das man geliefert hat. Wie und wieviel, das muss jeder selbst herausfinden. I.d.R. sind Lizenz-Nummern im jeweiligen Land zu beantragen. Es wird etliche Stunden und Nerven brauchen, diese Informationen aufzutreiben, Fragen zu klären und sich mit fremden Administrationen rumzuschlagen. Wer das finanzielle Polster hat, wird daher Firmen beauftragen, die diese Aufgabe für einen weiteren jährlichen Pauschalbetrag erledigen.

Während einige Länder keinerlei Unterschied machen, ob man eine oder 10 000 Verpackungen pro Jahr versendet, haben andere Länder die Gebührenpflicht immerhin an das jährliche Gesamtgewicht oder aber den Umsatz gekoppelt, siehe die entsprechenden Länder unten (Quelle: Schwellenwerte für die EPR-Registrierung nach Ländern in Europa | Lovat Compliance:

  • Österreich: 1,5 to
  • Belgien: 0,3 to
  • Zypern: 2 to / Material
  • Tschechien: 0,3 to / Kc 25M Umsatz
  • Estland: 10 to ungefährliche Abfälle, 0,1 to Gefahrgut
  • Niederlande und UK: 50 to
  • Norwegen: 1 to
  • Malta: 0,1 to
  • Finland: € 1M Umsatz

Wenn diese Angaben nach wie vor korrekt sind, würde ich in diesen Ländern demnach kein Problem haben, leider habe ich dorthin mit Ausnahme von UK noch nie etwas verkauft. 

Was die Höhe der Gebühren in den einzelnen Ländern betrifft, kann man sich einen guten Überblick bei www.verpackungslizenz24.de/en/eu-packaging-licence/ verschaffen, hier 3 Beispiele:

  • Frankreich: 1 – 10 000 Verpackungen: ein Pauschalbetrag von 80 € / Jahr
  • Spanien: unter 12 to ein Pauschalbetrag von 284€ /Jahr
  • Deutschland: 25 €? Ist für mich nicht ganz klar.

Alles ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Für ein mittelständisches Unternehmen, das regelmäßig und in größerem Umfang nach Europa liefert, fallen 80€ + 284€ + 25€ + … + Gebühren für die Unternehmen, die die Verpackungs-Erklärungen übernehmen, kaum ins Gewicht. Für eine Kleinunternehmerin wie mich übersteigen diese Beiträge zur Zeit den Jahresumsatz meines Etsy-Shops! Ich kenne die genauen Zahlen nicht, gehe aber davon aus, dass es sich z.B. bei vielen Kreativen in den Verkaufsportalen um eine Nebeneinkunft handelt, weil sie hier ohne großes Risiko ihrer Leidenschaft nachgehen oder aber die ersten Schritte Richtung Selbständigkeit machen können. Es erfordert viel Zeit und Aufwand, um in der Masse der Anbieter überhaupt wahrgenommen zu werden,  und jeder einzelne Verkauf ist ein Erfolg. Reich wird man damit nicht. Ich persönlich gehe 4 Tage in der Woche einem Büro-Job nach. Dem Pappmaché widme ich einen Tag und hin und wieder auch ein Wochenende. Meine Kreationen verkaufe ich vor allem auf 2-3 Designer-Märkten pro Jahr – der Etsy-Shop dient eher als Schaufenster für Pappelini. Diese Art der ständigen Präsenz ist nun aber finanziell nicht mehr tragbar und die administrativen Erfordernisse viel zu komplex, wenn man sich um alles alleine kümmern muss. 

Es waren übrigens zwei Künstlerinnen aus Deutschland und den Niederlanden, die mir über Instagram mitgeteilt haben, dass sie selbst nicht mehr nach Frankreich verkaufen, weil es sich finanziell einfach nicht lohne. Ich war gelinde gesagt überrascht und habe aufgrund dieses Austauschs überhaupt erst mit den Nachforschungen begonnen. Gar nicht so einfach, konkrete Informationen zu diesem Thema zu finden. Der Beitrag einer Teilnehmerin im Etsy-Forum hat mir hierbei weitergeholfen. In meinem näheren Umfeld hat niemand etwas von EPR und den damit verbundenen Verpflichtungen gehört… Sich im administrativen Dschungel als Ein-Mann/Frau-Unternehmen zurechtzufinden, ist nicht leicht, und neue Vorschriften entdeckt man häufig erst zufällig im Gespräch mit anderen, z.B. auf den Märkten. Ansonsten lebt ein Kreativer häufig in seiner Blase, und neue bürokratische Hürden, die genommen werden müssen, sind sehr belastend. 

Für mich jedenfalls habe ich entschieden, meine Produktblätter bei Etsy bis auf weiteres zu deaktivieren. Man kann nur hoffen, dass die Alleingänge der einzelnen Regierungen irgendwann durch ein zentrales, übersichtliches System der EU ersetzt werden, das Rücksicht auf Umsatz und Umfang der Verpackungen nimmt, andernfalls bedeutet es einen herben Schlag fürs Kleinunternehmertum, das auf Lieferungen jenseits des lokalen Marktes angewiesen ist. Wie schade wäre es doch, wenn man auf diese ganze kreative Vielfalt, die man auf den verschiedenen Verkaufsportalen entdecken kann, verzichten müsste! 

Ich sage Euch schweren Herzens bis bald bei Pappelini!

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